Stellungnahme
Home
OptiPrax

Stellungnahme zu den geplanten Modellversuchen in der Erzieherausbildung

 

Mit den gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre ist der Bedarf an qualifiziertem Personal in der Kinderbetreuung stark angewachsen. Aber auch die Anforderungen an Erzieherinnen und Erzieher sind erheblich gestiegen. Letzteres erfordert vor allem eine fundierte und qualitativ hochwertige Ausbildung. Dem Fachkräftemangel dagegen versucht man mit der Umstrukturierung, letztlich Kürzung der Ausbildungsdauer zu begegnen.

Nach Prüfung der vier Varianten, die Erzieherausbildung neu zu strukturieren, sprechen sich Schulleitung und Lehrerkollegium der Fachakademie Passau für den Modellversuch der verkürzten Ausbildung mit optimierten Praxisphasen für Bewerber mit Fach-/Abitur oder gleichwertiger Qualifikation (Variante 2) aus.

 

Zum Modell der Ausbildung mit optimierten Praxisphasen (Variante 1)

Unsere Vorbehalte gegen das Modell der Ausbildung mit optimierten Praxisphasen beruhen vor allem auf folgenden Aspekten:

  • Die Bindung an einen Träger gefährdet die Breitbandausbildung der angehenden Erzieherinnen und Erzieher.
  • Das Angebot an entsprechenden Ausbildungsplätzen ist regional unterschiedlich. Bewerber und Auszubildende in ländlichen Gebieten sind benachteiligt.
  • Erfahrungen mit der Verteilung der Theorie- und Praxisphasen in dem Modell in Baden-Württemberg zeigen, dass die Bedürfnisse der theoretischen Ausbildung und der Praxisstellen sich nicht immer aufeinander abstimmen lassen.
  • Die Auszubildenden können sich weder auf die Theoriephasen an der Fachakademie noch in die praktische Arbeit in den Einrichtungen konzentriert einstellen.
  • Es herrscht Unsicherheit darüber, welche Institution, der Ausbildungsträger oder die Fachakademie, den Ausbildungsverlauf der Auszubildenden verantwortet.

 

Zur Verkürzung der Sozialpädagogischen Praxis zu einem 1-jährigen Vorkurs

Veränderte gesellschaftliche und familiäre Strukturen, die Anforderungen der Wirtschaft an junge Leute und die Bedürfnisse von Familien, Kindern und Jugendlichen zeigen, dass frühe Bildungsarbeit in den Einrichtungen unerlässlich ist.

Erzieherinnen und Erzieher können diese Erwartungen aber nur erfüllen, wenn sie selbst fundiert und umfassend gebildet und ausgebildet sind. Dazu gehört neben der fachliche Instruktion auch der Erwerb pädagogischer Handlungsfähigkeit und Allgemeinbildung. Als Voraussetzung dafür brauchen junge Menschen Zeit, auch Zeit zur Entwicklung und Reifung.

Aus diesem Grund scheinen uns gerade für Bewerber mit mittlerem Bildungsabschluss zwei Jahre Sozialpädagogische Praxis notwendig.

Mit dem Wegfall des zweiten Jahres Sozialpädagogischer Praxis haben die Schülerinnen und Schüler nicht mehr die Gelegenheit, die Kinderpflegeprüfung abzulegen. Damit fehlen ihnen

  • eine zusätzliche Qualifizierungsmöglichkeit
  • die Chance, sich nach dieser Phase beruflich oder persönlich umzuorientieren
  • die Voraussetzung für staatliche Ausbildungsförderung (Meisterbafög) in der folgenden Ausbildungsphase
  • der Meisterstatus nach Abschluss der Erzieherausbildung und damit die Zugangsberechtigung zu einem Hochschulstudium

Das Modell der Ausbildung mit optimierten Praxisphasen mit Verkürzung des Sozialpädagogischen Seminars auf einen einjährigen Vorkurs für Bewerber mit mittlerem Bildungsabschluss wird deshalb das Gegenteil von dem erreichen, was eigentlich damit angestrebt wird: Der Erzieherberuf wird an Attraktivität verlieren und vor allem junge Menschen mit guter schulischer Vorbildung werden sich für andere Ausbildungswege entscheiden.

 

Zum Modell der dreijährigen Erzieherausbildung mit optimierten Praxisphasen für Fach-/ Abiturienten

Für Fach-/Abiturienten (und gleichwertig qualifizierte Bewerber) scheint uns diese Variante durchaus attraktiv zu sein. Die Bewerber haben zumindest in den allgemeinen Fächern wie Deutsch, Englisch und Sozialkunde bereits ein höheres Niveau erreicht als Bewerber mit mittlerem Abschluss nach der Sozialpädagogischen Praxis. Sie können sich auf die berufsspezifischen Fächer konzentrieren, müssen jedoch Erfahrung in der Praxis nachholen. Die nun gegenüber einem Studium deutlich kürzere Ausbildungszeit ist für diese Bewerbergruppe ein interessantes Angebot.

 

Die Fachakademie Passau ist neueren Entwicklungen gegenüber aufgeschlossen und sieht deshalb dieses Modell als eine geeignete Alternative, dem Kreis der Interessenten für den anspruchsvollen Beruf der Erzieherin oder des Erziehers zu erweitern. Für einen Schulversuch würde sie es bevorzugen, zumal sich aus den vier örtlichen Gymnasien, der Fachoberschule und der Universität auch in Zukunft immer wieder geeignete Bewerber bieten.

Grundsätzlich jedoch hält die Fachakademie Passau an der derzeitigen Struktur mit zweijährigem Sozialpädagogischen Seminar, zwei Jahren Theorieausbildung und Berufspraktikum als fachlich fundierte und hoch qualifizierende Ausbildung für Erzieherinnen und Erzieher fest.

 

(Verfasserin: Frau Gertraud Fuchsberger-Zirbs, Stellv. Schulleiterin)

Passau, im Mai 2015

Die Schulleitung
Das Lehrerkollegium
Die Schülermitverantwortung